Robin Schrade, Dr.

schrade_robin
Universitätsstr. 105 
44789 Bochum
Raum: UNI 105, 3/32

E-Mail: robin.schrade@rub.de




Titel der Dissertation

Wer sucht, kann gefunden werden. Problemgeschichten der Wissensorganisation.


Projektbeschreibung

Die komfortable digitale Suche im weltweiten Netz sorgt gegenwärtig immer wieder für Debatten, die die Selbstbestimmung des Einzelnen betreffen. Suchmaschinen wie Google ermöglichen einerseits einen demokratisch erscheinenden Wissenszugang: eine allumfassende Informations-Übersicht. Doch zugleich provozieren sie Zweifel und Misstrauen, denn jeder Suchende muss befürchten, selbst zum Objekt der Beobachtung, zum Gegenstand einer Suche zu werden. So verweist jede gespeicherte Suchanfrage auf eine Absicht, jede Absicht wiederum auf ein Subjekt: auf einen Freund, einen Kunden, einen potentiellen Terroristen. In einer postpanoptischen Welt, in der jeder überall überwacht werden kann, wird die Suche selbst zu einer Falle, die Sichtbarkeit erzeugen und  Aufmerksamkeit auf ein Individuum lenken kann. Wer sucht, kann gefunden werden.

Die Feststellung, dass sich diese machtpolitischen Implikationen über die digitalen Suchtechnologien hinaus in die Vergangenheit zurückverfolgen lassen, bildet den Ausgangspunkt des Dissertationsprojekts. Es soll geprüft werden, inwiefern die Mechanismen digitaler Suchtechnologien, die zwischen Übersicht und Überwachung oszillieren, auf gouvernementale Macht- und Wirklichkeitsregime zurückgeführt werden können, die bereits in historischen Techniken des Suchens und Findens beobachtbar sind. In Anlehnung an Michel Foucaults Konzept der Gouvernementalität wird  dabei angenommen, dass die Kunst des Regierens seit der frühen Neuzeit komplexe Verflechtungen zwischen Wissen und Macht entstehen ließ. Diese Regierungspraktiken seien nie ausschließlich unterdrückend gewesen: sie hätten stets einen produktiven Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft und deren Vorstellung von Wirklichkeit gehabt. In Anlehnung an diese Annahmen sollen die Techniken des Suchens und Findens immer zugleich als Zwangsmechanismen sowie als Erkenntniselemente gelesen werden. Im Fokus stehen dabei die Gemeinsamkeiten und Unterschiede, die zwischen gegenwärtigen digitalen Suchmaschinen im weltweiten Netz und ihren analogen Vorgängern bestehen.

In Bezug auf das Dokumentarische wird davon ausgegangen, dass die Techniken des Suchens und Findens als zentrale Operationen festlegen, was überhaupt wie dokumentiert werden kann. Neuzeitliche Suchtechniken erscheinen dabei konstitutiv für den heutigen Begriff des Dokumentarischen. Die Dialektik von Exzess und Entzug ist indessen prägend für deren Entfaltung.

Der theoretische Ausgangspunkt des Dissertationsprojekts wird maßgeblich geprägt von Theorien, die gegenwärtig in der Suchmaschinenforschung, in den Surveillance Studies sowie im Kontext von „Big Data“ diskutiert werden. Eine zentrale Rolle spielen dabei der von Gilles Deleuze proklamierte Bruch zwischen einer vergangenen Disziplinar- und einer gegenwärtigen Kontrollgesellschaft sowie die von Zygmunt Bauman geprägten Vorstellungen einer flüchtigen Moderne mit exterritorialen und post-panoptischen Machtstrukturen.

Im Rahmen der Analyse sollen schlaglichtartig verschiedene analoge Suchtechniken der europäischen Neuzeit untersucht und mit der gegenwärtigen Problemlage verknüpft werden. Die historischen Gegenstände erstrecken sich dabei von Suchverfahren in Büchern und Bibliotheken über die Geschäftsideen städtischer Adressbüros bis hin zur monastischen Kontemplation. Es soll dargestellt werden, wie die Techniken des Suchens und Findens bis heute die Entwicklung der modernen Wissensgesellschaft und ihrer Subjekte prägen.


Wissenschaftlicher Werdegang

  • Seit 09/2020: Wiss. Koordination im DFG-Graduiertenkolleg „Das Dokumentarische“ und wiss. Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. Friedrich Balke (als Vertretung für Julia Eckel)
  • 07/2020: Verteidigung der Doktorarbeit (summa cum laude) im Fach Medienwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum (RUB)
  • 04/2020 bis 08/2020: DFG-Anschubfinanzierung im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“, RUB
  • 10/2016 bis 04/2020: Wissenschaftlicher Mitarbeiter/Doktorand im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“, RUB
  • 04/2016 bis 07/2020: Doktorand im Fach Medienwissenschaft bei Prof. Dr. Friedrich Balke, RUB
  • 04/2016 bis 09/2016: Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medienwissenschaft, Lehrstuhl von Prof. Dr. Friedrich Balke, RUB
  • 04/2016 bis 07/2016: Lehrbeauftragter am Institut für Theaterwissenschaft, RUB
  • 10/2015 bis 02/2016: Tutor und wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Theaterwissenschaft, RUB
  • 04/2015 bis 07/2015: Leiter eines studentischen Seminars und wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Theaterwissenschaft, RUB
  • 09/2014 bis 01/2015: Studium im Fach Études Cinématographiques an der Université Charles de Gaulle in Lille, Frankreich (im Rahmen des Erasmus-Programms)
  • 10/2013 bis 09/2015: Deutschlandstipendium an der RUB, Stipendiat der Hans‐Lothar und Ursula Brandt ‐ Stiftung
  • 04/2013 bis 11/2015: Masterstudium im Fach Medienwissenschaft, RUB
  • 11/2012 bis 04/2014: Hilfskraft von Prof Dr. Erich Hörl, Medienwissenschaft, RUB
  • 04/2011 bis 04/2013: Hilfskraft von Prof Dr. Guido Hiß, Theaterwissenschaft, RUB
  • 01/2011 bis 03/2011: IT- und Technikbeauftragter und Betreuer des Video-Archives des Instituts für Theaterwissenschaft, RUB
  • 10/2009 bis 10/2012: Bachelorstudium im Fach Medienwissenschaft und Theaterwissenschaft, RUB

Publikationen

  • Schrade, Robin (2020): Die Kunst des Suchens. In: Marcel Beyer und GRK 2132: Exzess und Entzug. Ferres vor Gursky, Ferres vor Immendorff. Leipzig: Spector Books.
  • Schrade, Robin (2019): Die Suchmaschine als Black Box. Leipzig: Troittoir Noir.
  • Schrade, Robin (2018): Dokumentierte Absichten. Die Suchanfrage als Ego-Dokument. In: Christine Hämmerling und Daniela Zetti (Hg.) (2018): Das dokumentierte Ich. Wissen in Verhandlung. Zürich, Chronos Verlag.
  • Schrade, Robin (2013): (Gott) ‚Draußen vor der Tür‘ in Bochum. In: SchauplatzRuhr 2013 – Jahrbuch zum Theater im Ruhrgebiet. Berlin: Theater der Zeit. (Rezension)

Vorträge

  • „Ordnen und Bewahren um 1800. Bibliotheken einrichten mit Martin Schrettinger.“ Presentation at the Summer Academy on Media Philology, 27.08.2019, Rutgers University, New Brunswick, USA.
  • „Whoever seeks, can also be found.“ Presentation at the Princeton-Weimar Summer School, 27.06.2019, at the IKKM Weimar.
  • „Wer sucht, kann gefunden werden. Kulturhistorische Probleme der Wissensorganisation“ gehalten am 29.11.2018 im Rahmen der Ringvorlesung Das Dokumentarische II, RUB
  • „Sherlock’s Mind Palace. Zeitgenössische Visualisierungen des Suchens und Findens“ gehalten am 13.02.2018 im Rahmen des FFK#31 an der Ruhr-Universität Bochum
  • „Zwischen Transparenz und Opazität. Die Suchmaschine als Black Box“ gehalten am 06.10.2017 im Rahmen der GFM-Jahrestagung „Zugänge“ an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen
  • „Zwischen Übersicht und Überwachung. Die Suchanfrage als Ego-Dokument“ gehalten am 22.04.2017 im Rahmen des Workshops „Das Dokumentierte Ich. Wissenskulturen und –medien im Wandel“ an der ETH Zürich

Lehrveranstaltungen

  • Sommersemester 2016: Seminar „Zwischen Übersicht und Überwachung. Eine Kulturgeschichte der Suchmaschine“, Medienwissenschaft, RUB
  • Sommersemester 2016: Seminar „Inszeniertes Leben. Autobiographisches Erzählen in Theater und Performance“,  zusammen mit Jascha Sommer, Theaterwissenschaft, RUB
  • Wintersemester 2015: Seminar „Einführungstutorium in die Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens“, Theaterwissenschaft, RUB
  • Sommersemester 2015: Seminar „Jenseits der Narration? Erzählungen im Theater der Gegenwart“, Theaterwissenschaft, RUB

Organisation von Veranstaltungen

  • Beteiligt an der Konzeption, Organisation und Moderation der internationalen Tagung „Gegen\Dokumentation“ 08. – 10.11.2018, RUB (im Rahmen des Graduiertenkollegs „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug.“)
  • Beteilitgt an der Konzeption, Organisation und Moderation der Summer Academy „Media Philology“ in Kooperation mit dem German Departement der Rutgers-University, New Brunswick, 20. – 24. 08.2018, RUB (zusammen mit Rupert Gaderer, Nina Janz, Elisa Linseisen, maßgeblich gefördert durch die Research School der Ruhr-Universität Bochum)
  • Beteiligt an der Konzeption, Organisation und Moderation des Workshops „Digitale Interventionen“ 14.05.2018, RUB (zusammen mit Katja Grashöfer)
  • Beteiligt an der Konzeption, Durchführung und Moderation der Tagung „Transparente Welten. Netzwerk, Sicherheit, Anonymität.“ 18.07.2014, RUB

Sonstiges