Katja Grashöfer, M.A.

 

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44789 Bochum
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Titel der Dissertation

Lemmata 2.0 – Ereignis und Erinnerung bei Wikipedia


Projektbeschreibung

Das Dissertationsprojekt „Lemmata 2.0 – Ereignis und Erinnerung bei Wikipedia“ erforscht eine neue Kategorie von Schlagworten in der Online-Enzyklopädie Wikipedia: die Ereignis-Lemmata. Ereignis-Lemmata beschreiben als dokumentarische Form Geschehnisse jüngster Vergangenheit, die für eine Gruppe von Individuen Relevanz erlangt haben. Ein Beispiel für einen solchen Eintrag in der Wikipedia ist der Artikel „Unglück bei der Loveparade 2010“. Er dokumentiert ein Ereignis, das als eigenständiges, für sich stehendes Lemma in keiner anderen gedruckten Enzyklopädie zu finden ist. Der Grund für das exponierte Auftauchen des Eintrags in der Online-Enzyklopädie ist dabei weniger in der etwaigen Editionsdauer eines solchen Artikels in Buchform zu suchen, als vielmehr in einem grundlegend veränderten Verständnis der enzyklopädischen Form bei Wikipedia an sich.

Die technischen Möglichkeiten des Internets sowie das in Zeiten des Web 2.0 geprägte Verständnis prinzipiell offener, kollaborativer Arbeitsprozesse lassen im Rahmen der Wikipedia einen enzyklopädischen Korpus entstehen, der für die Mediengattung zu neuen Kriterien gesellschaftlich vereinbarten Wissens führt. Hier darf jede und jeder mitschreiben. Die möglichen Inhalte wachsen exponentiell zu den Interessen der Autorinnen und Autoren, thematische Beschränkungen entfallen nahezu. Das exzessive Dokumentieren von Ereignissen jüngster Vergangenheit, die unmittelbar Eingang in den enzyklopädischen Korpus finden, zeugt zugleich vom Bestreben einen Entzug zu verhindern. Das Ringen um Vollständigkeit ist vergebens und wirkt dennoch zugleich als dynamisierendes Element. Ereignis-Lemmata zeugen damit von jener im Forschungsprogramm genannten „digitalen Eskalationsdynamik“, bei der das ‚Noch-Nicht-Beschriebene’ stets als strukturelles Defizit erscheint.

Die Wikipedia ist technisch gesehen eine Datenbank. Über sie sind nicht nur die aktuellen Artikel abrufbar, sondern auch frühere Versionen eines Artikels sowie Diskussionen der Autoren zu einem Artikel. Inhaltliche und technische Dokumentationsformen verschränken sich und eröffnen damit die Möglichkeit, Ereignis-Lemmata als Operationen des Dokumentarischen in ihrer Genese sowie hinsichtlich ihrer Effekte zu untersuchen. Indem ihr Zustandekommen über das gemeinsame Schreiben der Beiträger_innen als Prozess kollektiven Erinnerns an das Ereignis lesbar wird, bilden sie zugleich einen Aussage über das Selbstverständnis einer multioptionalen Gemeinschaft im digitalen Raum. Somit stellen Ereignis-Lemmata viel weniger eine fachspezifische Sinnbildungsleistung als eine gemeinschaftliche Konsensfindungsleistung dar. Sie zu erforschen bedeutet, zentrale Bedingungen veränderter Muster gesellschaftlicher Vereinbarungen im digitalen Zeitalter zu erschließen und darüber verstehbar zu machen.


Wissenschaftlicher Werdegang

  • seit Oktober 2016: Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Promotion) am DFG-Graduiertenkolleg „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“, Ruhr-Universität Bochum
  • 02/2016 – 10/2016: Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Theorie, Geschichte und Ästhetik digitaler Medien, Institut für Medienwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
  • 11/2015 – 02/2016: Wissenschaftliche Mitarbeiterin zur Betreuung des Mentoringprogramm am Institut für Medienwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum

Publikationen

Monografien

  • Neue Medien in der Grundschule. Das Praxisbuch, gemeinsam mit: Gunnar Sandkühler/Jost Schneider, Auer Verlag, Augsburg 2016.
  • Neue Medien in der Sekundarstufe. Das Praxisbuch, gemeinsam mit: Gunnar Sandkühler/Jost Schneider, Auer Verlag, Augsburg 2015.

Aufsätze

  • YouTube, Facebook, Wikipedia. Repräsentationen des Holocaust im Web, in: Heindl/Sina (Hrsg.): Notwendige Unzulänglichkeit. Künstlerische und mediale Repräsentationen des Holocaust. LIT Verlag, Münster [in Vorbereitung].
  • Wikipedias Wissen. Vom Wandel einer Mediengattung als bildungspolitischer Herausforderung, in: Simanowski, Roberto (Hrsg.): Grundlagen der Medienbildung. Szenarien und Potentiale, dichtung-digital – Journal für digitale Ästhetik (Online-Journal), April 2014.
  • Planking – Von einem Phänomen und seiner Dysfunktionalität, in: Spangenberg/Westermann (Hrsg.): Im Moment des ‚Mehr’. Mediale Prozesse jenseits des Funktionalen, LIT Verlag, Berlin 2012.

Vorträge

  • Workshop „Phantom Algorithmus? Warum ein Gegenstand in Mode ist und gleichzeitig opak bleibt“, Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft, Berlin 2016 (Moderation)
  • Workshop „Kritik und Praxis: Spielräume digitaler Utopien“, Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft, Bayreuth 2015 (Moderation und eigener Beitrag „Wissen, was zählt – Das Projekt ‚Wikipedia‘ zwischen Utopie und Praxis“)
  • „Bot-Activity. Unbehagen vor Kontrollverlust“, Aller guten Dinge sind frei? Utopie und Unbehagen in der technisierten Welt – Tagung an der Theodor-Heuss-Akademie, Gummersbach 2015
  • „Unbegrenzte Möglichkeiten und die Grenzen der Möglichkeiten. Das Web 2.0 und seine Erkenntnispotentiale“, Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft, Lüneburg 2013
  • gemeinsam mit Peter M. Spangenberg: „Videor ergo sum. Identität und Selbstdarstellung im Medienzeitalter“, K20, Düsseldorf 2012
  • „Fundiertes Wissen – Spekuliertes Wissen. Wikipedia sei Dank?“, Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft, Frankfurt a. M. 2012
  • Shared Commons – Shared Memories? Wikipedia’s Function in Remembering Events, Lightning Talk und Poster auf der Wikipedia Academy, Berlin 2012
  • „Wissen 2.0 – Transformationen des Enzyklopädischen bei Wikipedia“, AG Medienkultur und Bildung, Marburg 2012
  • „Überbietung und Auflösung monofunktionaler Medien im Web 2.0“, Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft, Potsdam 2011
  • Ins Antlitz geblickt – Ansätze einer philosophischen Bildethik“, Workshop der AG Medienphilosophie, Potsdam 2011

Lehrveranstaltungen

  • Sommersemester 2016: Seminar „Identitäten im Netz – Zwischen Profilbildung und Profilneurose“, Institut für Medienwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
  • Wintersemester 2011/12: Seminar „Alles ein Ereignis – Medien(Un)Sinn?“, Institut für Medienwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
  • Sommersemester 2011: Seminar „Modellierungen des Gedächtnisses im Web 2.0 – Wikipedia, Netztagebücher und kommentierte Fotosammlungen“, gemeinsam mit Peter M. Spangenberg, Institut für Medienwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum

Organisation von Veranstaltungen

  • Mitarbeit an Konzeption und Durchführung der Vorlesungsreihe „Medien|Denken“, Institut für Medienwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum (10/2015 – 10/2016)
  • Mitarbeit an Konzeption und Durchführung des Workshops Netzwerke (revisited), 4. Workshop der AG Daten und Netzwerke der GfM, 19./20.05.2016, Ruhr-Universität Bochum
  • Mitarbeit an Konzeption und Durchführung  des Workshops „Profile: Individualisierung, Kollektivierung und Klassifizierung durch Daten, 3. Workshop der AG Daten und Netzwerke der GfM, 03./04.07.2015, TU Braunschweig

Sonstiges