Lena Demary, M.A.

Universitätsstr. 105
44789 Bochum
Raum: UNI 105, 3/28

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E-Mail: Lena.Demary@ruhr-uni-bochum.de

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Titel der Dissertation

Ganzheiten des Fragmentarischen: Das Dokumentarische im Spannungsfeld von Skulptur, Restaurierung und Diskurs zwischen 1750 und 1820 (AT)

Projektbeschreibung

In der modernen Restaurierung hat sich das Dokumentarische auf vielfältige Weise etabliert und entfaltet. Dies beginnt bereits bei den zu restaurierenden Objekten, den Kunstwerken, welche als historische Dokumente begriffen, nach einem entsprechenden Umgang verlangen. Die Restaurierung selbst kann als dokumentierende Praktik gewertet werden. Dies lässt sich auch durch die Übertragbarkeit der dokumentarischen Leitwerte – Repräsentation, Objektivität und Evidenz – auf den restauratorischen Anspruch beweisen. Nachvollziehbarkeit und Dokumentation von allen getätigten Maßnahmen gelten heute als Standard einer wissenschaftlichen Restaurierung. Den Höhepunkt dieser Entfaltung des Dokumentarischen, die auch von der Digitalisierung mitbestimmt wird, markieren aktuelle Projekte, wie zum Beispiel die Initiative „Backup Ukraine“.  

Die Dissertation untersucht am Beispiel der Gattung der Skulptur die Wurzeln dieses dokumentarischen Anspruchs innerhalb von restauratorischer Praxis und Theorie und verfolgt die Hypothese, dass mit dem Einsetzen dokumentierender Praktiken auch der Beginn der Verwissenschaftlichung der Disziplin markiert wurde. Dass die Jahre zwischen 1750 und 1820 in der Geschichte der Restaurierung einen höchst relevanten Schwellenmoment darstellen, ist auf mehrere Umstände zurückzuführen. Zunehmende Grabungstätigkeiten (1738 begann die Ausgrabung von Herculaneum und 1748 von Pompeji) befeuerten, insbesondere in Italien, eine ohnehin schon lange praktizierte Antikenergänzung. Am Ende des Jahrhunderts mündeten die Bilderstürme der Französischen Revolution wiederum in unzähligen zerstörten Grabmonumenten, Fassadenskulpturen, Büsten und Denkmälern, die folglich einen erhöhten restauratorischen Bedarf bewirkten. Um und nach 1800 findet sich im Kontext der (englischen) Romantik dann eine verstärkte Auseinandersetzung mit dem Spezifikum des Fragments. Diese Revision des Fragmentarischen resultierte auch aus einer Neuformierung der Beziehung zwischen Werk und Betrachter:in.

Parallel vollzog sich ein durch verschiedene Diskurse begründeter Wandel, der Kunstwerke von Objekten mit primär funktionalem Charakter zu Bestandteilen kultureller Identität und Gegenständen von historischer und wissenschaftlicher Bedeutung erhob. In der Restaurierung entstand so ein ausgeprägter Wahrheits- oder Authentizitätsanspruch. Im Zusammenhang mit diesem muss wiederum die Zunahme dokumentarischer Praktiken gesehen werden, welche durch nichts anderes als eine gezielte Suche und Erfassung des „wahren“ Werkes, seiner Ästhetik und Geschichte motiviert waren. Beispiele für erste dokumentierende Praktiken sind in der Raccolta d´antiche statue, buste, bassirelievi ed alter sculture, restaurate da Bartolomeo Cavaceppi (1768–1772) von dem italienischen Bildhauer und Restaurator Bartolomeo Cavaceppi oder der Description historique et chronologique des monumens de sculpture réunis au Musée impérial des monumens français (1795–1806) von Alexandre Lenoir zu finden.

Im Kontext dieser vielschichtigen Entwicklungen wird das Dokumentarische als Symptom einer Professionalisierung und Verwissenschaftlichung der Restaurierung zwischen 1750 und 1820 untersucht. Einen besonderen Fokus stellen die im Zuge der Betrachtung sichtbar werdenden restauratorischen Spannungsfelder dar, welche sich zwischen Selektion und Vollständigkeit oder Authentizität und Inszenierung auftun, wobei parallel auch nach einer Abgrenzbarkeit dieser Gebiete gefragt werden muss. Auf diese Weise leistet das Projekt einen ergänzenden wie korrigierenden Beitrag zur Geschichte der Restaurierung und ergründet die Anfänge einer heute selbstverständlich scheinenden wissenschaftlichen Ausrichtung der Disziplin.  

Wissenschaftlicher Werdegang

  • Seit 10/2022: Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Promotion) am DFG-Graduiertenkolleg „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“, Ruhr-Universität Bochum
  • 07/2020 bis 06/2022: Forschungsvolontärin, Gustav-Lübcke-Museum Hamm
  • 10/2017 bis 03/2020: Masterstudium der Kunstgeschichte, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 
  • 10/2014 bis 09/2017: Bachelorstudium der Kunstgeschichte und Philosophie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf 

Publikationen

  • Demary, Lena (Hg.): Hans Kaiser: Wirklichkeiten. Die Sammlung im Gustav-Lübcke-Museum, Katalog zur Ausstellung „Hans Kaiser: Im Dazwischen“ (Gustav-Lübcke-Museum Hamm), Köln 2022
  • Demary, Lena/ Tazuke-Steininger, Nana/ Eick, Eva Caroline et al.: „Museum der Zukunft“: Ein Manifest?, in: HIER UND JETZT im Museum Ludwig. zusammen dafür und dagegen, Katalog zur gleichnamigen Ausstellung (Museum Ludwig Köln), S. 182-197, erscheint im Winter 2022
  • Wiener, Jürgen/ Köpf, Reinhard (Hg.): Moderne Glasmalerei in Düsseldorf, Mönchengladbach 2021, Künstlertexte: Wilhelm Teuwen, Walther Benner, Ernst Otto Köpke, Emil Glücker und Günter Peltzer

Vorträge

  • „Ganzheiten des Fragmentarischen: Das Dokumentarische im Spannungsfeld von Skulptur, Restaurierung und Diskurs zwischen 1750 und 1820“, gehalten am 23.11.2022 im Rahmen des Forschungskolloquiums des Instituts für Kunstgeschichte und Archäologien Europas der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
  • „Nur Entwurf? Zur Bedeutung der Vorstudie bei Hans Kaiser“, gehalten am 18.02.2022 im Rahmen des Symposiums „In progress! Zum Vor- und Nachleben von Glasmalerei nach 1945“, Gustav-Lübcke-Museum Hamm
  • „Because we do not like the authentic state? Das Authentische im Spannungsfeld von Restaurierung und musealer Forschung“, gehalten am 15.12.2021 im Rahmen der Ringvorlesung „Forschung im Museum“, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Veranstaltungsorganisation

  • „Hans Kaiser: Im Dazwischen“, Sonderausstellung, 05.06.2022 bis 04.09.2022, Gustav-Lübcke-Museum Hamm
  • „In progress! Zum Vor- und Nachleben von Glasmalerei nach 1945“, Symposium anlässlich der Restaurierung der Entwürfe Hans Kaisers für das Dickinson Window in der Washington National Cathedral, 18.02.2022, Gustav-Lübcke-Museum Hamm
  • „Verwandlungen des Lichts: Die Glasmalerei im Œuvre Hans Kaisers“, Lehrveranstaltung, gemeinsam mit Dr. Reinhard Köpf, Institut für Kunstgeschichte, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Sommersemester 2021

Sonstiges

  • 10/2016 bis 10/2019: Deutschlandstipendium (Stipendiatin der Herzog Erik von Arenberg Stiftung)
  • Mitgliedschaft: Verband deutscher Kunsthistoriker