Jana Hecktor, M.A.

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Titel der Dissertation

Dokumentation der Zukunft. (Arbeitstitel)


Projektbeschreibung

Algorithmen sind maßgebende Operationen des Digitalen. Das Digitale wiederum ist heutzutage grundlegendes Medium für Erfassungs-, Speicherungs- und Auswertungsprozesse des Dokumentarischen. Immer größere Bedeutung erlangen in diesem Zusammenhang sogenannte selbstlernende Algorithmen, die nicht bloß vordefinierte Operationen ausführen, sondern aus dem Input von Daten sowie vorangegangen Erfahrungen ihre Handlungen eigenständig anpassen können. Die steigende Präsenz dieser selbstlernenden Algorithmen in diversen Bereichen des Alltags ist bereits Untersuchungsgegenstand in Forschungen zu sozialen Medien, Smart Home oder sozialer Robotik. Die Konsequenzen der eingesetzten selbstlernenden Algorithmen, für die inzwischen dank automatisierter Vorgänge ebenso ubiquitären dokumentarischen Praktiken wurden im Gegensatz dazu noch nicht ausreichend untersucht.

So ermöglichen automatisierte Technik und selbstlernende Algorithmen dokumentarische Autorschaft nicht-menschlicher Akteure und weisen damit bereits auf potentielle Veränderungen des Dokumentarischen hin. Angefangen bei der Erfassung durch sensorbasierte Systeme über die Speicherung zu der Auswertung entsprechender Inhalte wie es beispielsweise diverse Social Bots etabliert haben. Der ubiquitäre Einsatz von technischen Artefakten wie Überwachungskameras, Smart Homes sowie Smartphones zielt mit seinen sensor-basierten dokumentarischen Praktiken auf den Menschen als Objekt der Untersuchung ab und führt die Analyse menschlichen Verhaltens aus dem Labor weiter in das Private. Dadurch werden Diskussionen rund um Datenschutz und Privatsphäre elementare Regulatoren dokumentarischer Praktiken und ihrer verschwimmenden Grenzen. Der Mensch steht dabei mal willentlich durch Selbst-Dokumentation und mal unbewusst sowie unfreiwillig im Fokus. Utopien und Dystopien einer allumfassenden Dokumentation spiegeln sich in der Datafizierung der Welt und sind dank digitaler Technik und selbstlernender Algorithmen längst kein rein potentielles Phänomen mehr, sondern durchdringen die Lebenswelt derart, dass sich mit ihnen nicht bloß die Dokumentation von Vergangenheit und Gegenwart beschreiben lässt, sondern das zukünftig Mögliche zur dokumentarischen Größe wird.

Denn dokumentarischen Praktiken haftet immer ein Zeitbezug an. Was in einem Moment dokumentierte Gegenwart ist, wird im nächsten Moment bereits zur Vergangenheit. Obgleich eine Verzögerung zwischen Datenproduktion und -auswertung unvermeidbar ist, wird die Differenz durch technischen Fortschritt stetig minimiert. Dies führte auf der einen Seite in wirtschaftlichen Bereichen zu vermeintlichen Gegenwartsbetrachtungen, sogenannten Echtzeit-Analysen. Auf der anderen Seite zeigen Analysemethoden wie jene der Forensic Architecture, dass eine nachträgliche Klassifikation als dokumentarischer Inhalt große Auswirkungen haben und helfen kann, Lücken etablierter dokumentarischer Operationen zu füllen. Indem diverse Datensätze und Amateur-Dokumentationen zusammengebracht werden, ist zeitversetzt visualisierbar, was beispielsweise in einem Kriegsgebiet geschehen ist. Einige selbstlernende Algorithmen nutzen diesen Blick in die Vergangenheit und auf die Gegenwart, um darüber hinaus prognostisch zu arbeiten. So wird das zukünftige Konsumverhalten von Kunden, das Risiko von Patienten einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden, oder auch das potentielle Rückfallrisiko von Straftätern bereits durch Algorithmen ermittelbar. Diese Formen der Dokumentation der Zukunft führen zu einer Infragestellung dokumentarischer Selbstverständlichkeiten sowie Charakteristika.

Die Dokumentation der Zukunft basiert auf und führt zu Exzess. Ein Exzess der Daten die erhoben werden, ein Exzess der Nutzungsmöglichkeiten durch Hinzunahme von Algorithmen und ein Exzess zeitlicher Dimensionen von Dokumentation. Gleichzeitig wird durch Übersetzungsprozesse der menschliche Zugriff beschränkt und mit selbstlernenden Algorithmen ein neuer Akteur der Dokumentationspraktiken eingeführt, der Machtgefüge verschieben und das Dokumentarische der menschlichen Kontrolle entziehen wird. All dies sollte ins Zentrum wissenschaftlicher Untersuchungen gerückt werden.


Wissenschaftlicher Werdegang

  • Seit Oktober 2019: Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Promotion) am DFG-Graduiertenkolleg „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“, Ruhr-Universität Bochum
  • 09/2018 – 09/2019: Studentische Hilfskraft am Institut für Medienwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum (Prof. Dr. Stefan Rieger)
  • 04/2016 – 08/2019: Masterstudium „Medienwissenschaft“ an der Ruhr-Universität Bochum
  • 10/2015 – 03/2016: Übergangssemester „Informatik“ an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
  • 10/2012 – 03/2013: Tutorin an dem Institut für Medien- und Kulturwissenschaften der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
  • 10/2011 – 09/2015: Bachelorstudium „Medien- und Kulturwissenschaften“ an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf