Universitätsstr. 105
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Titel der Dissertation
Im Angesicht der Katastrophe – Vom Dokumentieren für die Zukunft zur Verantwortung der Rezeption in der Gegenwart (AT)
Projektbeschreibung
In seinen Reflexionen über die verstreute Sammlung an Dokumenten, die das Kollektiv Oyneg Shabes unter größter Gefahr im Inneren des Warschauer Ghettos angelegt hat, schreibt Georges Didi-Huberman (Éparses/Zerstoben, 2020/2022), dass die „bloße Existenz“ und das „Überleben“ der Klage, die sich in dieser Dokumentation ausdrückt, „für uns etwas darstellen, das von einem intensiven Begehren zeugt und folglich eine Hoffnung birgt.“ Im Sinne dieser Hoffnung gelte es, die überlieferten Dokumente „nicht als unwandelbare Schätze, sondern als Samenkörner für die Gegenwart, für die Zukunft“ zu begreifen. Das Dissertationsvorhaben geht vom Heute als dieser Gegenwart aus und fragt nach dem Verhältnis von Dokument, Rezeption und Verantwortung.
Dafür werden in einem ersten Schritt die Entstehung und das Nachleben einzelner Dokumente, die in Kontexten extremer und tödlicher Gewalt – wie etwa der nationalsozialistischen Verfolgung – entstanden sind, nachgezeichnet. Am Beginn stehen dabei Definitionen des Dokumentarischen, die dessen Zeugnis- und Beweischarakter betonen und davon ausgehen, dass die Aussagekraft eines Dokuments nicht allein in ihm selbst festgelegt ist, sondern stets von seinem Kontext und den Perspektiven jener, die es wahrnehmen, abhängt. Unter anderem die Rolle des Archivs als scheinbar neutrale Institution, die die Bedingungen festlegt, unter denen Dokumente gefunden und wahr-genommen werden können und dabei von einem linearen Zeitverständnis ausgeht, wird dabei kritisch hinterfragt.
In einem zweiten Schritt werden Dokumente und dokumentarische Formen in den Blick genommen, die gegenwärtig im Angesicht von Katastrophen – wie etwa den Bedingungen, unter denen Flucht und Migration stattfinden – entstehen. Unter welchen Voraussetzungen ge- oder misslingt es ihnen, dokumentarischen Beweischarakter zu erlangen? Und was bedeutet es, wenn Dokumente zwar als Beweise anerkannt werden, diese Erkenntnis aber ohne Folgen bleibt? Fragen wie diese werden insbesondere von aktivistischen und künstlerischen Standpunkten aus gestellt, die neue Formen des Bewahrens, Dokumentierens und Archivierens erproben – um Dokumente im Sinne der Beendigung der katastrophalen Bedingungen, aus denen sie hervorgehen, zu aktivieren.
Das Dissertationsvorhaben stellt dabei einen Dialog zwischen kultur- und medienwissenschaftlichen Archivtheorien sowie den insbesondere im englischsprachigen Raum aus der praktischen Arbeit in Archiven entwickelten kritischen Archiv- und Informationswissenschaften her. Vertreter:innen der beiden – meist noch getrennt voneinander diskutierenden – Felder haben antirassistische, dekoloniale und queer-feministische Erweiterungen der Archiv- und Dokumenttheorie erarbeitet, die für das vorliegende Projekt wichtige Impulse darstellen.
Wissenschaftlicher Werdegang
- seit 10/2022: Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Promotion) am DFG-Graduiertenkolleg „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“, Ruhr-Universität Bochum
- 2020 – 2022: Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Forschung und Bildung/Historical Research, Arolsen Archives – International Center on Nazi Persecution
- 2019 – 2020: Archival Assistant, Leo Baeck Institute New York
- 05/2019: MA Liberal Studies, The Graduate Center – City University of New York
- 2017 – 2019: Fulbright Stipendium, Austrian-American Educational Commission; Masterstudium Liberal Studies, The Graduate Center – City University of New York
- 2015 – 2019: Masterstudium Politikwissenschaft, Universität Wien
- 2014 – 2017: Bachelorstudium Sprachkunst, Universität für angewandte Kunst Wien
- 08/2014: BA Internationale Entwicklung, Universität Wien
- 2009 – 2014: Bachelorstudium Internationale Entwicklung, Universität Wien
Publikationen
Aufsätze
- Mit Akim Jah, Sabine Moller und Margit Vogt: Zwischen Forschendem Lernen und Digitalen Tools. Zur Archivpädagogik der Arolsen Archives, In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht, Nr. 5/6 2022.
- Mit Caleb Fridell: Seven Social Landscapes. Post45, Cluster: New Filmic Geographies, 10.4.2021.
- “I have learned that human suffering is indivisible” – Rabbi Walter Plaut and the 1961 Freedom Ride. Website des Leo Baeck Institute New York, 2021.
Radio
- Radiofeature: „Das Besondere ist einfach, dass er existiert.“ Der New Yorker Stammtisch der Emigrantinnen und Emigranten. Österreichischer Rundfunk, 19.06.2021 und 26.03.2022, Schweizerischer Rundfunk, 10.12.2021.
- Mit Philipp Sperner: Auf keiner Landkarte – Exil und Literatur. Radio Stimme, Radio Orange 94,0, 02.04.2017.
Vorträge
- 06/2022, mit Kim Dresel: Out into the Crowd – back into the Archives: Datafication and the representation of persecuted individuals in one of the largest archival collections on Nazi persecution | Konferenz: Datafication in the Historical Humanities: Reconsidering Traditional Understandings of Sources and Data, German Historical Institute, Washington D.C.
- 04/2022, mit Kim Dresel: Vom Suchen und Finden. Queer History in den Arolsen Archives | Vortragsreihe: GehDenken des Verein Gedenkdienst, Wien
- 11/2021: Erinnern online: Digitale Tools in der Vermittlungsarbeit | Tagung: Historisch-politische Bildungsarbeit zu NS-Verbrechen im öffentlichen Raum, Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig
- 05/2021: The Kindertransports from Austria — Findings from Ten Oral Histories in the Leo Baeck Institute’s Austrian Heritage Collection | Online-Event: Scholars Working Group “Hear Their Cry:” Understanding the Jewish Orphan Experience, Center for Jewish History, New York