Universitätsstr. 105
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Titel der Dissertation
Between Trash and Treasure. Fotografie und Rest [AT]
Projektbeschreibung
Das Unkonkrete, Ausgeschlossene, Defekte, Verfallene, Überflüssige, Rückständige und Wertlose kann heute im Angesicht einer Gegenwart des permanenten ökologischen Ausnahmezustands nicht mehr nur als räumliches Randphänomen verstanden werden, sondern ist längst zum milieu intérieur (Schlaudt) avanciert. Diese zunehmende Ubiquität der Reste setzt das kulturelle Wertegefüge dahingehend unter Druck, als dass die Differenzen zwischen Objekt und Abjekt oder zugespitzt: zwischen dem, was Dokument wird und dem, was als ›Abfall‹ zwar diskursiv verdrängt wird, räumlich-materiell jedoch zunehmend aufdringlicher wird, allmählich verwässern. Diese theoretische Gemengelage, so die These, macht nicht nur eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Begriff des Residualen erforderlich, sondern drängt darüber hinaus zu einer theoretischen Neubefragung des Dokumentarischen im Hinblick auf sein Dasein als ›Überbleibsel‹. In diesem Dissertationsvorhaben soll eine solche Neuperspektivierung beispielhaft aus der Perspektive der Fotografie im Sinne einer genuin dokumentarischen Kulturtechnik vorgenommen werden.
Die archäologische Figuration der Fotografie als ›das, was übrigbleibt‹ zieht sich wie ein roter Faden durch die Historie ihrer Theoriebildung, wenn sie etwa von verschiedenen Denkern des 20. Jahrhunderts als »stumme Zeugin« (Talbot), »Ruine« (Dubois) bezeichnet wird oder der Vergleich zu geologischen Prozessen der Fossilation aufgerufen wird (Bazin). Diese idealisierende Vorstellung der Fotografie als ›kulturelle Schatzkammer‹ verstellt jedoch den Blick auf die überwiegend abträgliche, ausschließende und verneinende Konnotation des ›Rests‹. So ließe sich beispielsweise die Geschichte ihres technologischen Dispositivs ebenso als eine Geschichte der gänzlich physischen Reste, etwa im Sinne der permanenten Aufbereitung prekärer Materialitäten (Bitumen, Gelatine, Eiweiß, Silber, seltene Erden) perspektivieren, die sich der Rhetorik der ›wertvollen Silberbilder‹ beziehungsweise der Ikonizität der Fotografie als bloßes Bildmedium phänomenologisch entgegenstellt. Einen weiteren Ausgangspunkt bilden die gegenwärtig scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten der fotografischen (Selbst-)Dokumentation und (Selbst-)Archivierung, die einen nie dagewesenen (materiellen) Exzess des Fotografischen hervorbringen. Diese Maßlosigkeit lässt sich jedoch nicht nur auf der Makroebene im Sinne einer allgegenwärtigen, amorphen Bilderflut begreifen, die die Serverkapazitäten und Archive an ihre materiellen Grenzen treibt. Ebenso lässt sich dieser Überschuss auf der Mikroebene mit Blick auf die in endloser Steigerung begriffene technische Konkretion des fotografischen Bildes in Form von Ultra High Definition, RAW images oder der computer generated imagery bestimmen, die nicht nur ein ›epistemologisches Zuviel‹ (Linseisen), sondern auch ein ganz konkret materielles Zuviel, kurz: Datenmüll erzeugen und dementsprechend die Produktion von einer Überfülle als Rest bereits von vorneherein antizipieren. Vor diesem Hintergrund ist die Frage nach Informationswert und Relevanz des Fotografischen/Dokumentarischen nicht mehr losgelöst von seinen Residuen zu beantworten. Dabei steht jedoch weniger die Postulierung einer ontologischen Essenz dieser Begrifflichkeiten im Vordergrund als vielmehr die Befragung ihrer produktiven epistemologischen Schnittstellen, in denen sich die gleichsam fundamentale wie spekulative Frage danach sedimentiert, was übrigbleibt.
Wissenschaftlicher Werdegang
- 2021-2022 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Drittmittelprojekt Mind the Game! Computer Games Driving AI & transforming society (VolkswagenStiftung) an der Folkwang Universität der Künste, Essen
- 2019-2021 wissenschaftliche Hilfskraft im Fachbereich Gestaltung|Philosophie (Prof. Dr. Markus Rautzenberg), Folkwang Universität der Künste, Essen
- 2016-2021 Masterstudium Photography Studies and Research (Prof. Dr. Steffen Siegel), Folkwang Universität der Künste, Essen
- 2008-2016 Bachelorstudium in den Fächern Kunstgeschichte und Medien- und Kommunikationswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Universidad Complutense Madrid
Vorträge
- 2022 Intelligente Bilder?, Ear-to-Ear-Talk mit Dr. Elisa Linseisen, in: THE SPACE BETWEEN(Website)
- 2021 B/U/ILD. Konstruktion und Fotografie, Ausstellungsprojekt zus. mit Angela Deußen und Sandra Happekotte, 4. Juli bis 1. August 2021, Neuer Kunstverein Wuppertal
- Rendering the Real, Vortrag im Rahmen des Forschungskolloquiums für Theorie und Geschichte der Fotografie, Folkwang Universität der Künste, Essen
- 2019 INSERT PHOTO [HERE], Textbeitrag zur gleichnam. Ausstellung, zus. mit Angela Deußen, in: The Viehofer Years, hg. von Folkwang Universität der Künste, Essen
Veranstaltungsorganisation
- Koordination und Redaktion des Website-Projekts THE SPACE BETWEEN im Rahmen des Forschungsprojekts Mind the Game! Computer games driving AI & transforming society, Folkwang Universität der Künste, Essen