Anna Polze, M.A.
Universitätsstr. 105
44789 Bochum
Raum: UNI 105, 3/25
Telefon: +49 (0) 234/32-27079
E-Mail: anna.polze@ruhr-uni-bochum.de
Titel der Dissertation
Evidenzprozesse in der digitalen Kultur. Medienästhetik, Mikropolitik, Forensic Architecture (Arbeitstitel)
Projektbeschreibung
Die Krisen audiovisueller Evidenzbehauptungen in der digitalen Medienkultur bilden den Ausgangspunkt des Dissertationsprojekts: Ein essentialistisches Verständnis von Evidenz und dokumentarischer Aura sieht sich gegenwärtig mit dem Referenzproblem digitaler Bildlichkeit (Performanz, Datafizierung), mit infrastrukturellen Formationen (Plattformprotokolle), mit Rezeptionsproblemen (Aufmerksamkeitsökonomie, Quantität, Data Literacy) und politischen Fallhöhen (Postfaktizität, Postpolitik) konfrontiert. Anhand ausgewählter Videoinvestigationen der Rechercheagentur Forensic Architecture (FA), die zB. Rechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen rekonstruieren, entwickelt die Dissertation einen medienästhetisch und rhetorisch geschulten Begriff des Evidenzprozesses, der dokumentarische Zeugenschaft und medienbasierte Beweiskraft in der Performanz eines digitalen Medienverbunds situiert. Denn digitale Medien und Plattformen stellen nicht nur Materialfundus und Archiv, sondern auch wesentliche Foren für die Auftritte und Selbstlegitimation der Agentur dar. Sie werfen ein heterogenes Set an Fragen auf, die sich nicht durch Rekurse auf Medienspezifik oder Institutionslogik beantworten lassen. Im analytischen Schnittfeld von Medienästhetik, Mikropolitik und Rhetorik zeigt die Dissertation daher, wie Evidenzkrisen nicht etwa gegenforensisch überwunden, sondern im digitalen Milieu prozessual invertiert und zurückgespielt werden. Anhand der exemplarischen Videoinvestigation „Pushbacks Across the Evros/Meriç River: The Case of Ayşe Erdoğan“ (2020) vollzieht sie mikroanalytische Close-Readings von aussagekräftigen Sequenzen, in denen digitale Methoden zur Evidenzkonstruktion zum Einsatz kommen. Das Projekt greift dazu die Debatten um die medienwissenschaftliche Position im Kontext digitaler Methoden und entwickelt qualitative Begriffe einer Medienästhetik digitaler Praxeologie (Montagefläche, Amplifikation, Inversion, Kommentarstimme, epistemische Autorität). Vergleichend werden Websites, Tweets, Ausstellungsräume und ausgewählte essayistische Filme und Fernsehberichterstattung betrachtet.
Wissenschaftlicher Werdegang
- Seit Oktober 2019: Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Promotion) am DFG-Graduiertenkolleg „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“, Ruhr-Universität Bochum
- 04/2019 – 10/2019: Stipendiatin des Humboldt Research Track zur Vorbereitung der Promotion
- 10/2015 – 04/2019: Masterstudium, „Kulturwissenschaft“, Humboldt-Universität zu Berlin
- 09/2016 – 01/2017: Erasmusstudium, „Médiation culturelle“, Université Sorbonne Nouvelle Paris 3, Paris
- 11/2015 – 04/2019: Studentische Hilfskraft, Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung, Projekt „Form, Code, Milieu“ / Lehrstuhl für Geschichte und Theorie der Form, Prof. Dr. Claudia Blümle, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Kunst- und Bildgeschichte
- 10/2011 – 09/2015: Bachelorstudium „Medienkultur“, Bauhaus-Universität Weimar
- 04/2015 – 09/2015: Studentische Hilfskraft, Lehrstuhl für Medienphilosophie, Prof. Dr. Michael Cuntz, Bauhaus-Universität Weimar
- 04/2014 – 09/2015 Studentische Hilfskraft, Internationales Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie (IKKM), Bauhaus-Universität Weimar
- 10/2013 – 01/2014: Erasmusstudium „Arts du Spectacle“, Université Lumière Lyon 2, Lyon
- 04/2013 – 09/2013: Studentische Hilfskraft, Internationales Kolleg für Kulturtechnikforschung und Medienphilosophie (IKKM), Bauhaus-Universität Weimar
Publikationen
Herausgaben
- Digital Culture and Society 02/2021, Networked Images in Surveillance Capitalism, gemeinsam hg. mit Olga Moskatova und Ramón Reichert, Bielefeld: Transcript, 2022 (im Erscheinen)
- Text\Werk. Lektüren zu Hito Steyerl, gemeinsam hg. mit Lilian Haberer, Philipp Hohmann, Julia Reich, Jolanda Wessel, Berlin: Hatje Cantz, 2022.
Aufsätze und Essays
- „Ästhetisch-epistemische Grenzobjekte. Transversale Konfigurationen im Ausstellungsraum“, gemeinsam mit Charlotte Bolwin und Maria Brannys, in: FFK Journal, 7, 2022, S. 158–238.
- „Kustodische Sacharbeit, kuratorischer Überschuss. Vergleichende Medienpolitik bei Forensic Architecture“, in: Zeitschrift für Medienkomparatistik, 3/2021, 2022, hg. v. Marion Biet und Nicole Kandioler, S. 87–104.
- „Doppelt Negativ. Pläne des Digitalen um 1969“, in: HORIZONTE. Zeitschrift für Architekturdiskurs, 12, 2018, S. 43–51.
- „Schritte und Schnitte. Taktische Topographien bei Michel de Certeau und Gordon Matta-Clark“, in: SYN. Magazin für Theater-, Film- und Medienwissenschaft, 13, 2017, S. 61–70.
Rezensionen
- „Media Aesthetics of Collaborative Witnessing. Three Takes on ‘Three Doors – Forensic Architecture / Forensis, Initiative 19. Februar Hanau, Initiative in Gedenken an Oury Jalloh’ at Frankfurter Kunstverein“, gemeinsam mit Lisa Stuckey, Ausstellungsrezension, „Three Doors“ Frankfurter Kunstverein (03.06.-11.09.2022), in: Third Text Online, http://www.thirdtext.org/stuckey-polze-threedoors, 01.09.2022
- „Material Witness“, Besprechung von Susan Schuppli, Material Witness. Media, Forensics, Evidence. Cambridge MA, London (MIT Press), 2020, in: Zeitschrift für Medienwissenschaft (ZfM), https://www.zfmedienwissenschaft.de/online/material-witness, 30.09.2020
- „My Form is myself: Chris Kraus in Weimar“, In: Der Freitag, https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/my-form-is-myself-chris-kraus-in-weimar, 31.08.2017
Vorträge
- „The Montage-Table as Aesthetic-Epistemic Boundary Object“, 23.07.2022, Vortrag im Rahmen der NECS 2022-Conference „Epistemic Media: Atlas, Archive, Network“, National University of Theatre and Film “I.L. Caragiale” (UNATC), Bucharest, Romania
- „Metadaten-Ästhetik bei Forensic Architecture“, 04.02.2022, Gastvortrag im Seminar „Analog-elektrisch-digital. Theorie und Ästhetik technischer Bilder“ von Charlotte Bolwin, Akademie der Bildenden Künste, Online/München
- „Fluchtauftritt und Evidenzkalkül. Postdigitales Dokumentieren bei Forensic Architecture“, 28.10.2021, Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung des Graduiertenkollegs „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“, Online/Ruhr-Universität Bochum
- „Expositorische Ökologie, kuratorischer Überschuss“, 23.09.2021, Vortrag im Rahmen der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM), Universität Innsbruck, Österreich
- „Ästhetisch-Epistemische Grenzobjekte: Audiovisuelle Konfigurationen im Ausstellungsraum“, 24.03.2021, gemeinsames Vortragspanel mit Charlotte Bolwin und Maria Brannys im Rahmen des 34. Film- und Fernsehwissenschaftlichen Kolloquiums (FFK), Online/Bauhaus-Universität Weimar
- „Circulating References in the multimodal Videos by Forensic Architecture“, 09.03.2021, Vortrag im Rahmen von „Trust Me! Truthfulness and Truth Claims across Media“, Internationale Online-Konferenz am Centre for Multimodal Studies, Linnaeus University Växjö, Sweden
- „Investigative Screens“, 28.01.2021, gemeinsames Vortragspanel mit Jan Harms im Rahmen von „Schnittstellen. Desktop | Essay | Online | Workshop“, Online-Workshop, Institut für Medien- und Kulturwissenschaft Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf in Kooperation mit Universität der Künste Berlin/Universität Bayreuth
- „Trennungslose Verbindung? Zur Politik der virtuellen Kamera in medienarchitektonischer Videokunst“, 16.04.2020, Vortrag und Screening im Rahmen von „DIS(S)-CONNECT II – Wie Medien uns trennen und verbinden“, Videobasierter Doktorand:innen Workshop, Universität Wien
- „Frauenbilder im Dokumentarfilm der DDR. Kulturanthropologische Auseinandersetzungen anhand der Methode des Videoessays“, 02.06.2019, gemeinsam mit Antje F. Hoffmann und Vanessa Zallot, Workshop im Rahmen der 32. dgv-Studierendentagung, Universität Wien
- „Gegenlicht in der Wüste. Medienwissenschaftliche Überlegungen zum Roden Crater Project von James Turrell“, 27.08.2015, Vortrag im Rahmen der Ausstellung TRANSITIONS, ACUD/Berlin
Organisation von Veranstaltungen
- Organisation des Abendvortrags von Dr. Roland Meyer „Faces in the Wild. Operative Bildlichkeit und digitale Bildkulturen“ mit anschließendem Workshop, 08./09.07.2021, gemeinsam mit Carina Dauven, Theodor Frisorger und Jana Hecktor
- Konzeption und Organisation des Online-Workshops „Text\Werk. Lektüreworkshop zu Hito Steyerl“ mit dem Abendvortrag „Materialschnitte durchs Essay. Hito Steyerls Transversale Praxis“ von Lilian Haberer (KHM Köln), 13.11.2020, gemeinsam mit Carina Dauven, Jan Harms, Philipp Hohmann, Julia Reich, Jolanda Wessel als Kooperationsveranstaltung mit der Kunstsammlung Nordrhein Westfalen im Rahmen der Ausstellung „Hito Steyerl. I will Survive“ (K21, Düsseldorf, 26.09.2020–10.01.2021)
- Mitarbeit an Konzeption und Moderation der Podiumsdiskussion „Wissen ausstellen“, 20.07.2016, Humboldt Universität/Berlin, Teilnehmer:innen des Podiums: Philipp Felsch, Mira Frye, Elisabeth Kaufman, Sofia Lemos, Hanna Magauer, Felix Sattler
Sonstiges
- Mitglied der Gesellschaft für Medienwissenschaft (GfM)
- Mitglied des European Network for Cinema and Media Studies (NECS)
- Studienbegleitende Mitarbeit und Praktika ua. bei Berliner Festspiele/Programmbereich Immersion (Ausstellungsmanagement und Redaktion) und TEXTE ZUR KUNST (Bildredaktion)