Catherin Persing, M.A.

Universitätsstr. 105
44789 Bochum
Raum: UNI 105, 3/25

Telefon:
E-Mail: Catherin.Persing@ruhr-uni-bochum.de

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Titel der Dissertation

Pflanzen performen: Mehr-als-menschliche Dokumentationsweisen im Anthropozän (Arbeitstitel)

Projektbeschreibung

Die multiplen Krisen des Anthropozäns stellen zugleich eine Krise der Vorstellungskraft dar, indem etwa die massiven zeitlichen und räumlichen Ausdehnungen des Klimawandels, des Massenaussterbens oder der Slow Violence durch Umweltverschmutzungen als ‚Hyperobjekte‘ (Morton) das menschliche Vorstellungsvermögen übersteigen. In der Konsequenz können sie auch als Störung tradierter Wahrnehmungsweisen von Natur, Landschaft und mehr-als-menschlichen Entitäten sowie der daraus resultierenden Dokumentations- und Repräsentationsmodi verstanden werden. Das Projekt untersucht künstlerische Arbeiten, die mit pflanzlichen Perspektiven und Ästhetiken experimentieren, um einen anderen Blick auf ökologische Krisen und Gewaltgeschichten, aber auch auf artübergreifende Fürsorge und Relationalität im Anthropozän zu eröffnen. Pflanzen spielen in diesem Zeitalter des Extraktivismus eine entscheidende Rolle – sei es als Rohstoff in transnationalen Handelsmärkten, als fossile Energielieferanten in Expansionsvorhaben oder als Ressource der Wissensproduktion in der kolonialen Botanik – und sind eng mit dessen Geschichten verwoben. Gerade deshalb, so die Grundthese des Projekts, bieten sie einen produktiven Ausgangspunkt für  eine kritische Reflexion des Anthropozän-Konzepts, seiner Narrative und Auslassungen.

Das Projekt untersucht die Dokumentation eines anderen Wissens über und durch Pflanzen, das mit den Leerstellen tradierter Sichtbarkeitsordnungen zusammenfällt. Diese Dokumentationsweisen lassen sich mit jenen theoretischen Überlegungen zusammendenken, die seit einigen Jahren die posthumanistische Performativität mehr-als-menschlicher Akteure beleuchten und diese als ‚lebhafte Materie‘ (Bennett), ‚Gefährtenspezies‘ (Haraway) oder ‚anders-als-menschliche Personen‘ (Hall) zu erfassen suchen. Die künstlerischen Arbeiten werden als Praktiken einer experimentellen Wissensproduktion untersucht, die durch spezifische Anordnungs- und Darstellungsweisen, durch Übersetzungsprozesse sowie die Modifikation bestehender dokumentarischer Techniken und Institutionen aus den Naturwissenschaften die Pflanzen als lebende Dokumente aufscheinen lassen. Das Projekt untersucht, was Pflanzen tun –  und wie sie dabei auch Konzepte und Theorien des Dokumentarischen transformieren.

Ein Schwerpunkt ist der Prozess der Dokumentwerdung: Wie, unter welchen Bedingungen und was können Pflanzen dokumentieren? Wie wird pflanzliche Agency sichtbar gemacht und wie formen Pflanzen – die ihre Umweltbedingungen, und damit auch Spuren des menschlichen Einflusses, speichern – die Dokumentationsweisen mit? Wie reagieren die künstlerischen Arbeiten auf die multiplen Krisen der Gegenwart und was erwächst aus den mehr-als-menschlichen Dokumentationsweisen? Das Projekt ist an der Schnittstelle von Theaterwissenschaft und Environmental Humanities angesiedelt. Theoretische Grundlagen aus den Bereichen des Posthumanismus, des New Materialism und des New Animism, die Konzepte für eine Auseinandersetzung mit mehr-als-menschlicher Agency und Performativität bieten, verbinden sich mit Ansätzen aus den Cultural Plant Studies sowie kritischen Perspektiven auf das Anthropozän, die die ihm zugrunde liegenden Vorstellungen hinterfragen. Angesichts der Vielzahl künstlerischer Arbeiten der letzten Jahre, die aktiv mit Pflanzen arbeiten und von ihnen mitgestaltet werden, möchte das Projekt gemeinsam mit ihnen darüber nachdenken, wie eine theatrale und dokumentarische Praxis aussehen könnte, in deren Zentrum nicht mehr der Mensch steht.

Wissenschaftlicher Werdegang

  • Seit 2024: Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Promotion) am DFG-Graduiertenkolleg „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“, Ruhr-Universität Bochum
  • 2019-2024: Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Promotion) am Institut für Theaterwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
  • 2018-2019: Lehrbeauftragte am Institut für Theaterwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
  • 2014-2017: Masterstudium Theaterwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
  • 2009-2014: Bachelorstudium Theaterwissenschaft und Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum

Publikationen

Aufsätze

  • „Monströse Mythopoiesis. Die romantische Mythologie und ihr dunkles Erbe bei H. P. Lovecraft“, in: Max Becker, Nils-Gerrit Horz, Rahel Sixta Schmitz (Hgg.): Kulturelle Spiegelungen zwischen H. P. Lovecraft und Deutschland, Freiburg im Breisgau: Herder 2024, S. 101-125.
  • “Pflanzen performen. Bühnen des Mehr-als-Menschlichen im Anthropozän“, in: Silvie Lang, Christine Riess & Vanessa-Nadine Sternath (Hgg.): Zum Pflanzen gebracht. Vegetabile agency in Mensch-Pflanzen-Netzwerken. Bielefeld: Transcript (im Erscheinen).
  • „Adressing the Orchid by Its Name. Reimagining Plants through Performance“, in: Jamila Arenz, Veronika Darian, Jessica Hölzl (Hgg.): RE/VERSIONEN. Künstlerische und wissenschaftliche Verfahren der Un/Eindeutigkeit. Neofelis 2024, S. 93-97.
  • „Groteske, Gewalt und Gegenschmerz. Komische Grenzvermessungen im Theater des Futurismus“, in: Guido Hiß, Burkhard Niederhoff & Monika Woitas (Hgg.): Wider alle Regeln? Theorie und Geschichte gespielter Komik im 20 Jahrhundert. Athena 2021, S. 141-159.
  • „Von Kleingärtnern, Nekrophilen und anderen Bestien. Monster und Monstrosität in Jörg Buttgereits Nekromantik“, in: Robert Dörre, Julia Eckel, Sarah Horn, Elisa Linseisen & Leonie Zilch (Hgg.): ffk journal 4. Avinus 2019, S. 128-140.

Vorträge

  • „WASTELAND. Performen und Denken in den Ruinen des Racial Capitalocene“. Kollaborativer Talk mit Sandra Biberstein, Julia Schade und Ruth Schmidt im Rahmen des 16. Kongresses der Gesellschaft für Theaterwissenschaft in Leipzig vom 12.-15.06.2024.
  • „’From the Borders of an Alien World‘. Eco-Horror and Weird Ecologies in Algernon Blackwood’s ‚The Willows‘ and ‚The Man Whom the Trees Loved’“. Vortrag im Rahmen der Joint Annual Conference of Science Fiction Research Association & Gesellschaft für Fantastikforschung in Dresden vom 15.-19.08.2023.
  • „’Where I come from, ghosts are not to be taken lightly.‘ Fragmentarische Wiederauferstehung und gespenstische Ontologien bei Guillermo del Toro“. Vortrag im Rahmen des Internationalen Symposiums der Inklings Gesellschaft für Literatur und Ästhetik in Magdeburg vom 29.04.-01.05.2023.
  • „Poesie und Schrecken: Monströse Mythenschöpfung bei H. P. Lovecraft“. Vortrag im Rahmen des Internationalen Symposiums der Inklings Gesellschaft für Literatur und Ästhetik in Bochum vom 20.-22.05.2022.
  • „Monster und Monstrosität bei Jörg Buttgereit“, 31. Film- und Fernsehwissenschaftliches Kolloquium in Bochum vom 13.-15.02.2018.

Veranstaltungsorganisation

Lehrveranstaltungen

Institut für Theaterwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum

  • Seminare (Auswahl): „Wie viel Mensch braucht das Theater? Emanzipation des Maschinellen auf der Bühne“ (WiSe 19/20), „Transgression und Tabu. Grenzüberschreitungen in Theater und Film“ (SoSe 20), „Theater und Ritual“ (WiSe 20/21), „Über das Vergnügen an tragischen Gegenständen. Eine Spurensuche im Theater der Gegenwart“ (SoSe 21), „Grundkurs Tragödie“ (WiSe 21/22), „‘Lernen, mit den Gespenstern zu leben‘. Das Gespenstische als Denk- und Erfahrungsmodell“ (SoSe 22), „“Performing Plants. Pflanzenbilder in Kunst und Wissenschaft (WiSe 22/23), „Bühnen des Mehr-als-Menschlichen“ (SoSe 23), „Performing Ecologies. Theater und Ecocriticism“ (WiSe 23/24), „Poetiken des Anthropozäns in den Performing Arts“ (SoSe 24)
  • Vorlesungen (Auswahl): „Ritual und Performativität“ im Rahmen der Ringvorlesung „Theatertheorie“ (WiSe 20/21 und 22/23), „Jüdische Theaterkulturen zwischen Fremdzuschreibung und Selbstverortung – Identitäten im Spannungsfeld der Bühne“ im Rahmen der Ringvorlesung „Theaterhistoriographie“ (WiSe 21/22, 23/24 und 24/25)