Chisa Tanimoto, M.A.

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Titel der Dissertation

Das Dokumentarische in der Gegenwartsliteratur nach Fukushima. Yoko Tawada, Alexander Kluge, Elfriede Jelinek und Philipp Weiss. (Arbeitstitel)

Projektbeschreibung

Mein Dissertationsvorhaben hinterfragt die scheinbar klare Abgrenzung zwischen Dokumentation und Fiktion, indem ich die dokumentarische Signalwirkung in den fiktionalen Texten analysiere, die den Super-GAU von Fukushima 2011 behandeln. Das Verständnis von Dokumentationen ist insbesondere in Debatten über die Darstellbarkeit des Holocaust in Frage gestellt worden (White 1973: 1991). Der Einsicht Giorgio Agambens (Agamben 1998: 2003) und Haydon Whites folgend argumentiert Nicolas Pethes die Möglichkeiten der erzählerischen Rekonstruktion von Vergangenheit durch fiktionale Texte (Pethes 2008). Es gibt zwar Unterschiede zwischen Akten, Tagebuchaufzeichnungen, autobiografischen Erzählungen und fiktionalen Texten, aber diese Unterschiede beziehen sich nicht unbedingt auf Textsorten, sondern auf ihr Verhältnis zum Ereignis. In diesem Sinne können die Texte von den KZ-Überlebenden wie Primo Levi oder Jean Améry, und die Texte von W. G. Sebald, der dies selbst nicht erlebt hat, aber sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzt, nicht nach ihrer Authentizität, sondern nach ihrem Verhältnis zum Ereignis bewertet werden: Zu erwägen ist, wie die Katastrophe in den Texten erzählt und dargestellt ist, nicht notwendig aber, was als Botschaft mitgeteilt ist und ob die Wirklichkeit der historischen Katastrophe richtig gezeigt ist.

Die Frage, wie man überhaupt eine nicht selbst erlebte Katastrophe erzählen kann, erstreckt sich nicht nur auf die Überlieferung von den verschwindenden Erinnerungen an die Vergangenheit (etwa indem Augenzeugen sterben), sondern auch auf die „Erfahrung“ der Katastrophe, die sich heute ereignet. Im Zeitalter von Massenmedien und digitalen Medien wird es immer einfacher, Informationen über die Ereignisse von weit entfernten Orten zu erhalten und Meinungen dazu zu äußern. So entfalten sich Diskurse, die größtenteils von Nicht-Erlebenden artikuliert werden und über das reine Erzählen von Erlebnissen hinausgehen. Nach der Katastrophe, die Japan am 11. März 2011 heimgesucht hat (sog. „Tōhoku-Erdbeben 2011“), ist auch danach oft gefragt worden, wer die „Betroffenen“ seien. Es ist äußerst schwierig in einer Situation, in der die Dreifachkatastrophe von Erdbeben, Tsunami und Atomunfall nicht nur das Inland erschütterte, sondern auch auf die nachfolgenden politischen Entscheidungen insbes. in Deutschland beeinflusste, eine Grenze zwischen Betroffenen und Nicht-Betroffenen zu ziehen. Es ist auch nicht einfach aufzuweisen, wo der Ort des Geschehens war und wer es direkt erlebt hat. In meinem Promotionsprojekt werden u.a. die literarischen Texte von Schriftsteller:innen ausgewählt, die an dem Tag in Japan das Erdbeben nicht erlebt haben, und untersucht, wie die Katastrophe in diesen Texten dokumentiert wird. Die vier ausgewählten Schriftsteller:innen sind Yoko Tawada, Alexander Kluge, Elfriede Jelinek und Philipp Weiss.

Wissenschaftlicher Werdegang

  • Seit Oktober 2022: Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Promotion) am DFG-Graduiertenkolleg „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“, Ruhr-Universität Bochum
  • 10/2018 bis 09/2022: studentische Hilfskraft bei Prof. Dr. phil. Eiichiro Hirata, Keio Universität
  • 04/2018 bis 09/2022: Doktoratsstudium im Institut für Germanistik, Keio Universität
  • 04/2016 bis 08/2020: studentische Hilfskraft bei Assist. Prof. Dr. phil. Habil. Andreas Becker, Keio Universität
  • 04/2016 bis 03/2018: Masterstudium im Institut für Germanistik, Keio Universität
  • 09/2014 bis 07/2015: Auslandsstudium als Stipendiatin, Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
  • 04/2012 bis 03/2016: Bachelorstudium im Institut für Germanistik, Keio Universität

Publikationen

Aufsätze

  • „Schmerz einer Übersetzerin: Über die Unübersetzbarkeit in Yoko Tawadas Erzählung Mojiishoku [Originaltitel: 翻訳者の痛み──多和田葉子『文字移植』における翻訳不可能性について]“, in: kenkyu nempo 39 (2022), S. 31-53.
  • „Wörtliches Schreiben oder wörtliches Lesen? Wörtlichkeit in Yoko Tawadas Essay zu Paul Celan“, in: Einheit in der Vielfalt? Germanistik zwischen Divergenz und Konvergenz. Asiatische Germanistentagung 2019 in Sapporo, München: Iudicium 2021, S. 526-533.
  • „Grenzüberschreitung in Yoko Tawadas Literatur. Eine Lektüre des Mischschrift-Gedichts Die 逃走 des 月 s [Originaltitel: 多和田葉子の「越境」──混合文字詩を読む]“, in: Eiichirô Hirata, Mariko Harigai, Chikako Kitagawa (Hg.): bunka wo toinaosu [Originaltitel: 文化を問い直す──舞台芸術の視座から], Tokyo: Sairyûsha 2021, S. 189-210.

Rezensionen

  • „Claudia Benthien, Jordis Lau, Maraike M. Marxsen: The Literariness of Media Art, Routledge, 2018“, in: Tokyo Academic Review of Books, vol.48, 31.07.2022, online verfügbar unter: https://doi.org/10.52509/tarb0048. 

Vorträge

  • „Von Der wunde Punkt im Alphabet zu Mojiishoku. Yoko Tawadas Übersetzung als Grenzüberschreitung [Orinaltitel: Der wunde Punkt im Alphabetから「アルファベットの傷口」へ──多和田葉子『文字移植』における越境としての翻訳]“ Tagung der Japanischen Gesellschaft für Germanistik, 21.11.2020
  • „Überschreitungsmoment im Akt des Lesens. Am Beispiel von Yoko Tawadas Gedicht Die 逃走des月s“, internationalen Symposium „Facetten der Gefühle im Transkulturellen Theater“, Keio Universität in Tokyo, 09.02.2020 
  • „Gedicht lesen oder erleben. Über das Rezeptionsproblem in Yoko Tawadas Gedicht“, internationalen Symposium „Transition: ein Paradigma der Weltlyrik im 21. Jahrhundert?“ an der Waseda Universität in Tokyo, 06.10.2019
  • „Wörtliches Lesen oder wörtliches Schreiben? Wörtlichkeit in Yoko Tawadas Essay zu Paul Celan“, Asiatischen Germanistentagung an der Hokkaigakuen Universität in Hokkaidō, 27.08.2019
  • „Yoko Tawadas Transkriptionsexperiment. Über die Genese des Gedichts Die Mischschrift des Mondes/ Die 逃走des 月s“, internationalen Kolloquium für Nachwuckswissenschftler:innen, Institut für Germanistik der Keio Universität, 24.03.2019