Hannah Schmedes, M.A.
Universitätsstr. 150
44780 Bochum
Raum: GB 1/140
E-Mail: Hannah.Schmedes@ruhr-uni-bochum.de
.
Titel der Dissertation
“The infrastructural is political”. Eine queer*feministische Infrastrukturkritik der Wikipedia (Arbeitstitel)
Projektbeschreibung
Der Begriff Infrastruktur hat Hochkonjunktur. Marode Brücken, Angriffe auf Energie-Infrastrukturen, fehlende oder mangelhafte Verkehrswege, Pflegenotstand, und der Schutz “kritischer Infrastrukturen” prägen die zeitgenössische öffentliche Debatte. Zugleich wird der Begriff in den Medien- und Kulturwissenschaften für immer diversere Zusammenhänge und „hintergründige“ Phänomene beansprucht. Dabei scheint die Erkenntnis, dass Infrastrukturen subjektivieren und diskriminierend wirken als relativ neu deklariert zu werden.
Feministische Theorien und Kritiken beschäftigen sich seit dem 19. Jahrhundert mit ungleich verteilten Zugängen zu Infrastrukturen und deren Asymmetrien, allen voran in Bezug auf die Kategorie gender. Viele dieser Kritiken behandeln gebaute Infrastrukturen und lassen sich heute in den Disziplinen von feministischer Geographie oder Stadtraumforschung verorten. Diese machen es sich zur Aufgabe, insbesondere urbane Mobilität und infrastrukturelle Zugangsmöglichkeiten aus geschlechtsspezifischer Perspektive zu analysieren. Leslie Kerns Feminist City beispielsweise illustriert die These, „dass gebaute Umwelten die Gesellschaften spiegeln, die sie erbauen“ (2019).
Diese Kritik als Anlass nehmend, widmet sich mein Dissertationsprojekt einer queer*feministischen Infrastrukturkritik der enzyklopädischen Plattform Wikipedia. Wikipedia, die als „freie Enzyklopädie“ ein kollaborativ-egalitäres Wissensprojekt zu verkörpern scheint, ist in ihrer Struktur und den Kriterien für Relevanz und Quellenlegitimität nämlich alles andere als neutral. Einem zentralen Aspekt dessen gehe ich mit einer Untersuchung der plattformspezifischen Wissenshierarchien nach, welche bestimmte Perspektiven – insbesondere solche von Frauen, Queers* und BIPoC (Black, Indigenous and People of Colour) – systematisch marginalisieren. Dabei betrachte ich Wikipedia als plattformisierte Infrastruktur, die immer wieder neu gebaut, konstruiert und kartographiert wird – auch durch die virulenten Motive, Metaphern, Imaginäre und Geschichten, die diese umgeben. Das Infrastrukturelle als Zone feministischer Kritik und -Kämpfe zu betrachten, ermöglicht eine Betrachtung der „Rollenfestschreibung in den Grundrissen“ (Erlemann) vermeintlich neutraler Gebilde. Ziel der Dissertationsschrift ist eine Untersuchung dieser vorprogrammierten Geschlechterpolitik aus medienwissenschaftlicher Perspektive.
In Anlehnung an die feministischen Science and Technology Studies, die Geschlecht als kontinuierlich in der Interaktion mit Technologie produziert interpretiert, argumentiere ich, dass die geschlechtsspezifischen Gefälle auf der Wikipedia nicht nur durch die Handlungsfähigkeit der Editor*innen konstituiert wird, sondern sich auch in die infra-strukturellen Beziehungen und Logiken des digitalen enzyklopädischen Projekts eingeschrieben hat.
Wissenschaftlicher Werdegang
- 04/2024: Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Promotion) bei Prof. Dr. Julia Bee (Professur für Gender Media Studies unter besonderer Berücksichtigung von Diversität), Institut für Medienwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
- 10/2022 – 03/2024: Wissenschaftliche Mitarbeiterin (Promotion) am DFG-Graduiertenkolleg „Das Dokumentarische. Exzess und Entzug“, Ruhr-Universität Bochum
- 03/2021 – 09/2022: Administrative Leitung, ZeM – Brandenburgisches Zentrum für Medienwissenschaften, Potsdam
- 11/2019 – 02/2021: Studentische Hilfskraft, Exzellenzcluster „Matters of Activity“, Humboldt-Universität zu Berlin
- 10/2018 – 02/2021: Studentische Hilfskraft, Institut für deutsche Literatur, Humboldt-Universität zu Berlin
- 10/2017 – 04/2021: Master of Arts, Europäische Medienwissenschaften, Universität Potsdam
- 04/2017 – 09/2018: Studentische Hilfskraft, Leibniz-Zentrum für Kultur- und Literaturwissenschaft, Berlin
- 12/2016 – 03/2017: Studentische Hilfskraft, Institut für Philosophie und Kunstwissenschaft (IKM), Leuphana Universität Lüneburg
- 05/2016 – 03/2017: Studentische Hilfskraft, Kunstraum Lüneburg
- 01/2015 – 07/2015: Erasmus-Semester, Film Studies, Karlstad Universitet, Schweden
- 10/2012 – 04/2017: Bachelor of Arts, Kulturwissenschaften und Philosophie, Leuphana Universität Lüneburg
Publikationen (Auswahl)
Herausgaben
- Containment: Technologies of Holding, Filtering, Leaking. Herausgegeben mit Marie-Luise Angerer, Ingrid Richardson und Zoë Sofoulis. Lüneburg: meson press 2024.
Aufsätze
- „-1.153 Characters. Towards a Queerfeminist Infrastructural Critique of Wikipedia“, in: Feminist Infrastructural Critique. Life Affirming Practices against Capital (= FKW // Zeitschrift für Geschlechterforschung und Visuelle Kultur 74), hg. Elke Krasny, Sophie Lingg und Claudia Lomoschitz. 2024.
- „Am Saum des Sichtbaren. Eine Annäherung an Feministische Server”, in: Automatisierte Zuwendung. Affektive Medien – Sensible Medien – Fürsorgende Medien (= Augenblick – Konstanzer Hefte zur Medienwissenschaft 85), hg. Bernd Bösel. Marburg 2022.
- „The im:permeable Sieve. Following Gendered Imaginaries of Containers and Leaks”, in: Liquidity, Flows, Circulation. The Cultural Logic of Environmentalization, hg. Mathias Denecke, Holger Kuhn, Milan Stürmer. Berlin: Diaphanes 2022.
- „A Laboratory for Living Off-World: Re-narrating Biosphere 2”, in: Earth and Beyond in Tumultuous Times. A Critical Atlas of the Anthropocene, hg. Petra Löffler und Réka Gál, Meson Press: Lüneburg 2021.
Rezensionen, Berichte
- „Allzubekanntes unvertraut werden lassen“, Rezension von: Marie-Luise Angerer, Noam Gramlich (Hg.): Feministisches Spekulieren. Genealogien, Narrationen, Zeitlichkeiten. Kulturverlag Kadmos. 2020, 02.11.2021, in: Open Gender Journal 5.
- „The Camille Diaries“, Tagungsbericht, Art Laboratory Berlin, 26.09.2020. In: ArtHist.net, 08.01.2021.
Vorträge
- “Reweaving Knowledge. Feminist Interventions and Infrastructural Biases in Wikipedia”, 11.12.2024, Vortrag im Rahmen der RUSTLabLecture Series, Bochum.
- „-16.000 Zeichen. Infrapolitik & Gender auf Wikipedia”, 28.09.2023, Vortrag auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Medienwissenschaft, Universität Bonn.
- „Revenant Infrastructures: Bog Bodies, Gendered Archives“, 26.05.2023, Vortrag im Rahmen des Workshops „Sub(e)merging: Poetics, Temporalities, Epistemologies“, Edith-Russ-Haus für Medienkunst, Oldenburg.
- „Leaky Infrastructures. Figures of Leakage and Containment in Feminist Thought“, 23.04.2021, Symposium „Liquidity, Flows, Circulation. The Cultural Logic of Environmentalization”, Leuphana Universität Lüneburg.
- „Containing:Leaks. Following the oozy, slimy lead of the witch“, 30.03.2021, Vortrag im Rahmen des Workshops “Technologies of Containment: Ontologies of Porosity, Leakiness and Holding, 30.03.2021.”, ZeM – Brandenburgisches Zentrum für Medienwissenschaften, Potsdam.
- „A Laboratory for Living Off-World: Re-narrating Biosphere 2”, 07.06.2019, Vortrag im Rahmen des Symposiums “A Laboratory for Living Off-World”, Humboldt-Universität zu Berlin.
- „Auf dem Weg zum Mars landet man im Reality-TV“, 03.2019, Vortrag im Rahmen des 32. Film- und Fernsehwissenschaftlichen Kolloquiums, Filmuniversität KONRAD WOLFF, Potsdam.
Veranstaltungsorganisation
- Mit Wiki Riot Squad: “Revisiting Cyberfeminism”, Edit-a-Thon zusammen mit Who writes his_tory? & Bildwechsel e.V., in Kooperation mit Khoj Studios, Wikimedia DE und Wikimedia CH.
- Mit Wiki Riot Squad: „Feministische Schreibwerkstatt“, Workshop in Kooperation mit Blickpilotin e.V. (ehemaliger Verein zur Förderung von Sichtbarkeit feministischer Filmbildungsarbeit) im Rahmen des Festivals “Feminist Elsewheres”, Schriftgutarchiv der Deutschen Kinemathek, Berlin, 08.-09.11.2023.
- Mit Wiki Riot Squad: „Edit-a-Night. Feministische Strategien der Sichtbarmachung auf Wikipedia“, Workshop im Rahmen von “Nocturnal Unrest – Feministisches Festival für Theorie, Performance und radikale Flâneuserie”, Künstlerhaus Mousonturm, Frankfurt, 04.10.2020.
- Mit Jakob Claus, Niklas Egberts, Yannick Schütte: „History and Time in Context of the Gaia Hypothesis“, Workshop im Rahmen von MaerzMusik, Berlin, 27.03.2019.